Für einen zweiten Wahlgang noch am Dienstag war Friedrich Merz auf die Linke angewiesen - obwohl die CDU solche Zusammenarbeit ablehnt. Carsten Linnemann verteidigt das Vorgehen.
Sehen Sie hier die Sendung "Markus Lanz" vom 6. Mai 2025 in voller Länge.06.05.2025 | 75:43 min
Historischer Tag im Deutschen Bundestag: CDU-Chef Friedrich Merz ist im ersten Wahlgang überraschend an der Kanzlermehrheit gescheitert - ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik. Im zweiten Anlauf wurde er dann mit 325 Stimmen zum zehnten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt.
Markus Lanz zeigte sich überrascht, dass scheinbar niemand aus der Union auf dieses Szenario vorbereitet war. Dem widersprach der Generalsekretär der CDU, Carsten Linnemann, der aus Berlin zugeschaltet wurde. "Ich habe sogar morgens noch mit einem Kollegen im Detail darüber gesprochen." Allerdings hätte Linnemann nicht gedacht, dass es tatsächlich so weit kommt.
Ich hätte klar gewettet, dass es im ersten Wahlgang reicht.
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Carsten Linnemann, Generalsekretär der CDU
Trotzdem sei er auch auf dieses Szenario vorbereitet gewesen.
Im zweiten Wahlgang hat Friedrich Merz die erforderliche Mehrheit für das Amt des Kanzlers im Bundestag erhalten. Als einer der ersten gratulierte ihm sein Vorgänger Olaf Scholz.06.05.2025 | 1:20 min
Dunz: "Die Union wirkte völlig unvorbereitet"
Politjournalistin Kristina Dunz, die den ganzen Tag im Bundestag verbrachte und das Geschehen live vor Ort beobachtete, widersprach: "Die Union wirkte völlig unvorbereitet." Zunächst habe die Union verbreitet, ein zweiter Wahlgang finde nicht mehr statt. Erst nach juristischer Klärung sei klar gewesen: Doch, es wird noch gewählt - und zwar heute.
Es drängte sich der Eindruck auf, dass Herr Merz, Herr Spahn, Herr Linnemann keinen Plan B hatten.
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Kristina Dunz, Politjournalistin
Dunz sprach davon, dass es vor dem ersten Wahlgang "innerhalb der Koalitionäre" Wetten gegeben hätte, "dass es in einen zweiten Wahlgang gehen würde."
Kanzler Merz denke die Entscheidungen der vergangenen Wochen nicht vom Ende her, so Politikerwissenschaftler Prof. Michael Koß. Er müsse das Spiel von Geben und Nehmen verstehen.06.05.2025 | 4:25 min
Katarina Barley: "Völlig absurd"
Die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Katarina Barley, sprach bei "Markus Lanz" von einem ganz besonderen Moment: "Mein Moment des Tages: Jens Spahn verhandelt mit Heidi Reichinnek."
Die Union kooperiert mit dem BSW, hält aber an der Unvereinbarkeit mit den Linken fest - völlig absurd.
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Katarina Barley, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments
Für einen rechtssicheren zweiten Wahlgang am selben Tag war die Koalition aus SPD und Union auf die Unterstützung der Linken angewiesen.
Am Ende eines denkwürdigen Tages in Berlin trifft sich das neue Kabinett. ZDF-Hauptstadtkorrespondent Wulf Schmiese zu den ersten Terminen des neuen Kanzlers Friedrich Merz.06.05.2025 | 2:50 min
Linnemann verteidigt Abstimmung mit Linkspartei
CDU-Generalsekretär Linnemann verteidigte das gemeinsame Abstimmen mit der Linkspartei mit dem Verweis auf frühere Fälle bei Verfahrensfragen - am grundsätzlichen Unvereinbarkeitsbeschluss ändere das jedoch nichts. "Es gibt immer noch linksextremistische Strömungen innerhalb der Linkspartei."
Wir haben diesen Unvereinbarkeitsbeschluss, der steht, und da stehe ich auch zu.
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Carsten Linnemann, Generalsekretär der CDU
Davon ausgehend, dass die Regierungskoalition in der Zukunft wieder einmal die Unterstützung der Linkspartei brauchen könnte, wollte Lanz von Linnemann wissen, ob dieser von einem relevanten Menschen der Linkspartei eine Telefonnummer habe, "also einen direkten Kommunikationsweg". Linnemanns Antwort:
Nein. Ich habe in meinem Handy keine einzige Nummer von einem Vertreter der Linkspartei.
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Carsten Linnemann, Generalsekretär der CDU
Der designierte Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte bei ntv am Mittwoch die Gespräche mit den Linken gerechtfertigt. Wenn eine Zweidrittelmehrheit gebraucht werde, müsse mit den Abgeordneten der Linkspartei gesprochen werden.
"Das Unwahrscheinliche wird immer möglicher'', sagt der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte zur aktuellen Entwicklung des deutschen Politikbetriebs am Tag der Kanzlerwahl.06.05.2025 | 3:19 min
Linnemann: Schrecksekunde war notwendig
Linnemann sprach von einer besonders wichtigen Wahlperiode, "wahrscheinlich die wichtigste der nächsten zehn bis zwanzig Jahre". Das Vertrauen in die politische Mitte müsse jetzt zurückgewonnen werden.
Möglicherweise werde man in einem halben Jahr sagen, dass die heutige Schrecksekunde notwendig gewesen sei: "Ich bin mir sicher, dass denjenigen, die heute mit Nein gestimmt haben, das Herz in die Hose gerutscht ist, dass sie gesagt haben: Das wollte ich gar nicht. Ich dachte, an meiner Stimme hängt es nicht. Doch es hing an der Stimme."
Und deswegen war das vielleicht das Warnsignal, was es brauchte.
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Carsten Linnemann, Generalsekretär der CDU
In ganz Europa wurde heute auf die Wahl des neuen deutschen Bundeskanzlers geschaut. Andreas Stamm berichtet über die Reaktionen aus dem Ausland.06.05.2025 | 1:19 min
Am ersten Tag nach seiner Wahl zum Bundeskanzler reist Friedrich Merz nach Frankreich und Polen, um sich dort mit Emmanuel Macron und Donald Tusk zu treffen. Für Linnemann steht fest:
Sie werden morgen merken, dass ab morgen eine neue Zeit beginnt.
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Carsten Linnemann, Generalsekretär der CDU
Linnemann weiter: "Ich bin mit Herrn Merz in den letzten Monaten unterwegs gewesen und er hat im Auto mit Staats- und Regierungschefs telefoniert. Europa wartet auf Deutschland."
Ganz so optimistisch sah es Kristina Dunz nicht: "Fakt ist, er ist der Bundeskanzler, der mit einer Schlappe gestartet ist, der jetzt schon beschädigt ist."
Quelle: dpa
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