Ukraine-Gespräche: Expertin sieht Verzögerungsstrategie bei Putin
Interview
Sicherheitsexpertin zu Ukraine:Major: Putin fährt Verzögerungsstrategie
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Wird es eine Waffenruhe in der Ukraine geben - und wenn nicht, dann neue Sanktionen? Für Expertin Major kommt es vor allem auf ein geschlossenes Handeln westlicher Staaten an.
"Die westlichen Staaten haben gesagt, wenn Russland dem Waffenstillstand nicht zustimmt, dann gibt es Sanktionen. Die Glaubwürdigkeit hängt jetzt daran", so Claudia Major, Sicherheitsexpertin vom German Marshall Fund.12.05.2025 | 5:17 min
Nach dem Vorstoß westlicher Regierungschefs für eine 30-tägige bedingungslose Waffenruhe ab dem heutigen Montag wertet Sicherheitsexpertin Claudia Major die Reaktion des russischen Präsidenten Wladimir Putin als "klassische Verzögerungs- und Spaltungsstrategie". Putin sei nicht darauf eingegangen, betonte sie im ZDF-Morgenmagazin. "Man kann auch anderweitig sagen, er hat es abgelehnt." Stattdessen habe er direkte Gespräche angeregt.
Währenddessen gehen die Kämpfe aber weiter, das heißt die Angriffe auf die Ukraine.
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Claudia Major, Sicherheitsexpertin
Der Westen habe "völlig vergessen", dass Russland seit längerer Zeit die Waffenstillstandsangebote ablehne. "Also eine richtige Überzeugung, diesen Krieg zu beenden, ist es nicht."
Die Außenminister Europas erhöhen den Druck auf Russland: entweder eine 30-tägige Waffenruhe oder neue Sanktionen. Ob es in Istanbul zu Friedensverhandlungen kommt, ist unklar. 12.05.2025 | 3:10 min
Major: Ukraine-Besuch "wirklich beeindruckend"
Am Samstag waren die Staats- und Regierungschefs aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Polen gemeinsam in die Ukraine gereist und hatten die Waffenruhe vorgeschlagen. Ansonsten würden die Sanktionen gegen Moskau weiter verstärkt.
Den gemeinsamen Besuch und die telefonische Zuschaltung von US-Präsident Donald Trump wertete Major als "wirklich beeindruckend".
Das war ein Riesenerfolg und den sollte man auch nicht kleinreden.
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Claudia Major, Sicherheitsexpertin
Das Problem sei, dass Trump wenig später aus der gemeinsamen westlichen Position wieder ausgeschert sei.
... ist seit dem 15. März 2025 Senior Vice President für internationale Sicherheits- und Verteidigungspolitik beim German Marshall Fund. Der German Marshall Fund of the United States (GMF) ist eine 1972 gegründete gemeinnützige Organisation, die die transatlantische Zusammenarbeit in Bereichen wie Sicherheit, Wirtschaft und Demokratie fördert. Major ist Verteidigungsexpertin mit Schwerpunkt auf Nato, europäischer Sicherheit und transatlantischen Beziehungen. Zuvor war sie Leiterin der Abteilung Internationale Sicherheit bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) sowie tätig bei Institutionen wie dem Zentrum für Sicherheitsstudien der ETH Zürich und dem EUISS.
Kommen weitere Sanktionen?
Putin bot statt der Waffenruhe in der Nacht zu Sonntag direkte Verhandlungen ohne Vorbedingungen mit der Ukraine ab Donnerstag in Istanbul an.
Was davon zu erwarten sei, könne man noch nicht sagen, betonte Major. Bislang habe Putin nicht persönlich zugesagt. "Der ukrainische Präsident Selenskyj hat klar gesagt, er fährt hin, er wartet auf Putin und jetzt müssen wir sehen, was da passiert."
So Sicherheitsexperte Mölling mit Blick auf ein mögliches Treffen zwischen Selenskyj, Putin und Trump am Donnerstag in Istanbul. Putin hatte direkte Verhandlungen vorgeschlagen.12.05.2025 | 5:20 min
Gleichzeitig sei die Reaktion der westlichen Staaten wichtig. Denn der Ankündigung müssten eigentlich noch am Montag Sanktionen folgen, sollte Russland dem Waffenstillstand nicht zustimmen, betonte Major.
Ukraine-Konferenz in London
Wie die Maßnahmen aussehen könnten, darüber könnte der Sicherheitsexpertin zufolge am heutigen Montag eine Ukraine-Konferenz in London beraten. Erwartet werden Vertreter aus Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien, Polen und der EU sowie der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha.
Die Glaubwürdigkeit hängt letztlich daran, ob sie wirklich Sanktionen verhängen, die auch wehtun.
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Claudia Major, Sicherheitsexpertin
"Es sieht ganz danach aus, als wäre Trump eingeschwenkt auf Putins Kurs", sagt David Sauer, Washington. "Das sind schlechte Nachrichten für die Europäer".12.05.2025 | 2:32 min
Hat Putin den Westen "an die Wand gespielt"?
Insgesamt sei es Russland gelungen, "die westlichen Staaten ein bisschen an die Wand zu spielen", sagte Major im ZDF-Morgenmagazin. Denn wenn Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Polen auf den Waffenstillstand bestünden und Sanktionen verhängt würden, dann könnte ihnen vorgeworfen werden, dass sie die Gespräche boykottieren.
Wenn sie es nicht machen, dann verlieren sie komplett ihre Glaubwürdigkeit. Dann haben sie gedroht mit Sanktionen, machen es wieder nicht und dann weiß man letztlich, man kann den Westen unter Druck setzen und vor sich her treiben und spalten.
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Claudia Major, Sicherheitsexpertin
Nach Ablauf der von Putin angeordneten dreitägigen Feuerpause waren am Sonntag im Osten der Ukraine neue Kämpfe ausgebrochen. Nach Darstellung des ukrainischen Generalstabs in Kiew traten russische Truppen zu 67 Angriffen an verschiedenen Frontabschnitten an. Aus den Vororten von Charkiw wurden russische Luftangriffe gemeldet. Am Abend und in der Nacht gab es erneut vielerorts Luftalarm. Auch Russland meldete ukrainische Angriffe.
Ausgewertet hat das Interview Katia Rathsfeld. Geführt wurde es von Mitri Sirin.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.