Lehren aus Corona: Wären wir bereit für eine neue Pandemie?

Interview

Lehren aus fünf Jahren Corona:Spahn: Sind "nicht wirklich besser vorbereitet"

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Jens Spahn war Gesundheitsminister als Corona ausbrach. Für den CDU-Politiker ist Deutschland jetzt - fünf Jahre nach Pandemie-Beginn - nicht wirklich besser vorbereitet.

Sarah Tacke steh zentral im Bild mit einer Maske im Gesicht.
Fünf Jahre nach dem Ausbruch von Corona in Deutschland haben viele Menschen noch „Puls“, wenn sie an die Zeit zurückdenken, viele beschäftigt die Folgen der Pandemie bis heute.12.03.2025 | 43:39 min
Fünf Jahre nach dem Ausbruch von Corona haben viele Menschen immer noch offene Rechnungen, wie Deutschland mit der Pandemie umgegangen ist. Jens Spahn (CDU) war Gesundheitsminister in dieser Zeit. Im Interview erklärt er, was er aus heutiger Sicht anders machen würde.
ZDFheute: Corona-Aufarbeitung - klar ist, es muss eine geben. Die Frage ist, wann kommt sie und wer macht sie?
Jens Spahn: Ich hätte mir gewünscht, dass die Ampel, die Noch-Regierung eine Aufarbeitung gemacht hätte. Das wäre auch zeitlich sinnvoll gewesen, direkt nach Ende der Pandemie damit zu beginnen. Ich würde sagen, Stand jetzt, fünf Jahre nach Pandemie-Beginn sind wir nicht wirklich besser vorbereitet, als wir es 2020 waren. Insofern: Aufarbeiten im Sinne von Lehren ziehen, Lernen für die Zukunft wäre gut. Ich hoffe, dass der neue Deutsche Bundestag einen Weg findet.
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ZDFheute: Aber das liegt dann ja auch an Ihnen, weil die nächste Regierung wird mit Ihrer Partei zustande kommen.
Spahn: Man muss ja schauen. Was sind gerade die drängendsten Themen für die Deutschen, für Europa? Das ist das Thema Sicherheit, Verteidigung, Krieg, Ukraine. Ich wache nicht morgens auf und sag: Wir müssen aufarbeiten, aufarbeiten, aufarbeiten. Ich habe mich bewusst entschieden, aus der Gesundheitspolitik rauszugehen.
Ich mache im Schwerpunkt Wirtschaft, Energie, Klimaschutzpolitik, beschäftige mich mit den Themen, die die Deutschen gerade in Mehrheit beschäftigen. Also mein Lebensthema ist jetzt nicht Corona. Das war die forderndste Zeit meines Lebens. Es war die forderndste Zeit für Deutschland, für die Welt, in vielen, vielen Jahren und Jahrzehnten. Insofern gehört das immer auch zu mir, aber ich beschäftige mich jetzt nicht Tag und Nacht mit Corona.
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ZDFheute: Kein Satz steht so sehr für diese Zeit wie der von Ihnen geprägte der Anfangszeit: Wir werden uns am Ende alle gemeinsam viel verzeihen müssen. Was müssen wir Ihnen verzeihen?
Spahn: Jeder von uns lag mal falsch am Küchentisch, im Fernsehen: Journalisten, Politik, selbst die Wissenschaft. In dieser Pandemie lag jeder mal falsch. Gibt es Dinge, die man, die man mit dem Wissen von heute bei mir sagen müsste, da lag ich falsch und da müsste ich sagen, bitte ich um Verzeihung?

Die neue ZDF-Dokumentation "Am Puls: meine offene Rechnung mit Corona" geht der Frage nach, welche Risse Corona bis heute hinterlassen hat. Wirtschaftlich, gesundheitlich, persönlich - aber auch gesellschaftlich. Hat damals schon etwas begonnen, was wir noch heute spüren?

Ja, klar. Mit am meisten gelitten unter den Einschränkungen - und möglicherweise auch am längsten Folgen für ihr Leben - haben Kinder und Jugendliche. Und das ist dann natürlich gerade auch in so einer Gesellschaft dann auch ein Thema, das zu Spannungen führt.
ZDFheute: Können Sie mir Punkte nennen, wo Sie sagen, das würde ich heute anders machen?
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Spahn: Was ich sicher heute anders machen würde, wäre das Einkaufen von Masken oder Beatmungsgeräten. Es war alles knapp. Wir wussten nicht, wann gibt es überhaupt wieder was? Die ganze Welt hat gekauft, und ja, zu jedem Preis. Damals war das Motto und die Erwartung, richtigerweise aus meiner Sicht, Haben ist besser als Brauchen. Mit dem Wissen von heute würde ich das so nicht noch mal machen und vor allem andere Wege gehen.
Unterm Strich, da bin ich fest von überzeugt, lagen wir ziemlich richtig. Ich wüsste wenige Länder, die besser durch diese Pandemie gekommen sind als Deutschland. Aber es gibt Entscheidungen mit dem Wissen von heute, mit dem Wissen schon teilweise Monate später, die würde man so nicht noch mal treffen. Das betrifft Schließungsmaßnahmen, das betrifft auch Beschaffungsmaßnahmen.
ZDFheute: "Haben wir damals im Rahmen der so genannten "Montagsspaziergänge" zu voreilig, zu pauschal von Nazis, Reichsbürgern und Aluhutträgern gesprochen?
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Spahn: Ich habe ab der ersten Demo an gesagt, das sind die stärksten Eingriffe in die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger - seit Bestehen der Bundesrepublik. Insofern habe ich das für normal gehalten, dass es Gegenwehr im Sinne von Demonstrationen gibt. Natürlich muss das immer wieder aufs Neue hinterfragt werden, solche Maßnahmen und solche Eingriffe.
Ich kann versichern, Freude oder dieser Vorwurf, wir hätten das Gefühl, jetzt können wir mal Macht ausüben, das habe ich an keiner Stelle erlebt, sondern das war eine Diskussion des Abwägens. Aber klar, jeder hat in dieser schweren Zeit Erlebnisse, die geprägt haben. Ein achtjähriges Kind hat über ein Viertel seines Lebens in der Pandemie verbracht. Das prägt natürlich und macht wahrscheinlich bis heute was in dem Erleben von Staat und Staatlichkeit.
Das Interview führte Sarah Tacke. Sie ist Leiterin der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.
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Fünf Jahre nach der bisher verheerendsten Pandemie des 21. Jahrhunderts geht ein ZDF-Themenschwerpunkt der Frage nach, was aus der Corona-Pandemie für Lehren gezogen wurden und werden. In der Zeit vom 8. bis zum 21. März 2025 beschäftigen sich sowohl aktuelle Magazinsendungen als auch Doku-Formate mit dem Thema.

Wir bündeln alle Inhalte auf unserer Themenseite zum Coronavirus.

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