Ein AfD-Verbotsverfahren ist im alten Bundestag stecken geblieben. Seine Befürworter planen einen neuen Antrag - auch ohne ihren prominenten Wortführer. Ein Überblick.
AfD-Fraktion im Bundestag bei der konstituierenden Sitzung: Einem möglichen Verbotsverfahren blicke man "gelassen entgegen".
Quelle: epa
Marco Wanderwitz steht in seinem Garten, um neue Gehwegplatten zu verlegen. Der langjährige sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete hat nun Zeit für Liegengebliebenes. Er hatte sich nicht mehr zur Wiederwahl gestellt, auch wegen der vielen Anfeindungen gegen ihn, bis hin zu Morddrohungen. "Gerade fühlt es sich gut an, das hinter sich zu haben", sagt er am Telefon im Gespräch mit ZDF frontal.
Wanderwitz war ein zentraler Vorantreiber eines AfD-Verbotsverfahrens. Genauer: Einer fraktionsübergreifenden Gruppe im Bundestag, die das Bundesverfassungsgericht auffordern wollte, die Verfassungswidrigkeit der AfD zu überprüfen. Der alte Bundestag hatte ihren Antrag im Januar in erster Lesung noch diskutiert. Abgestimmt wurde er aber nie. "Uns kam die vorgezogene Neuwahl dazwischen", sagt Wanderwitz. Eine Mehrheit war damals nicht in Sicht.
Neuer AfD-Verbotsantrag soll kommen - nur wann?
Wanderwitz ist ausgeschieden, doch einige seiner Mitstreiterinnen machen weiter - darunter die SPD-Abgeordnete Carmen Wegge. Auf Anfrage von ZDFfrontal sagt sie:
Ich werde mich weiterhin dafür einsetzen, dass in Karlsruhe ein Verfahren gegen die AfD eröffnet wird. Ich bin davon überzeugt, dass die AfD die Voraussetzungen für ein Parteiverbot erfüllt.
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Carmen Wegge, SPD
Warten auf das Gutachten
Auch der Grünen-Abgeordnete Till Steffen will einen neuen Antrag auf den Weg bringen. Doch er weiß: Ohne eine Hochstufung der AfD durch den Bundesverfassungsschutz und ein entsprechendes Gutachten wäre eine Mehrheit kaum erreichbar:
"Es gibt viele Kolleginnen und Kollegen, vor allem in der Union, die ihre Entscheidung von dem Gutachten des Verfassungsschutzes abhängig machen. Es ist gewissermaßen der Schlüssel", so Steffen gegenüber ZDF frontal.
Ich finde: Die Bundestagswahl ist vorbei, der Verfassungsschutz soll endlich entscheiden.
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Till Steffen, Grünen-Bundestagsabgeordneter
In der AfD blickt man den Plänen "gelassen entgegen", wie ein Fraktionssprecher schreibt: "Ein mögliches Verbotsverfahren entbehrt jeder Grundlage."
Erstmals hat der Bundestag zwei Initiativen zu einem AfD-Verbotsverfahren diskutiert. Die Debatte verlief in Teilen hitzig. Ein Parteiverbotsverfahren gilt als umstritten.30.01.2025 | 2:51 min
Verschobenes Gutachten und ein Präsident, der selbst in den Bundestag wollte
Der Verfassungsschutz stuft die AfD seit 2021 bundesweit als rechtsextremen Verdachtsfall ein. Über Pläne zur Hochstufung als gesichert rechtsextremistisch hatte die "Süddeutsche Zeitung" schon im Februar 2024 berichtet und auf interne Mails verwiesen.
Thomas Haldenwang, damaliger Chef des Nachrichtendienstes, hatte noch im Oktober in einer öffentlichen Anhörung hinsichtlich des Gutachtens gesagt: "Mit einer Entscheidung wird noch in diesem Jahr zu rechnen sein." Nach dem Ampel-Aus im November sagte Haldenwang dann, die Verkündung des Ergebnisses noch 2024 sei "obsolet".
Auf Anfrage von ZDF frontal heißt es aus dem Bundesinnenministerium nun:
Das Gutachten ist noch nicht fertig gestellt und liegt daher dem BMI auch nicht vor. Das BfV erstellt das sehr umfangreiche und komplexe Gutachten mit der notwendigen Sorgfalt.
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Bundesinnenministerium
Bei ihrer Gründung 2013 war die AfD eine konservativ-bürgerliche Partei, gerichtet vor allem gegen die Euro-Rettungspolitik. Heute gilt sie in Teilen als gesichert rechtsextrem. 08.10.2024 | 43:48 min
Kritik an Haldenwangs CDU-Kandidatur: "Dem Amt geschadet"
Ein wohl entscheidender Faktor ist die offene Nachfolge von Haldenwang. Der Verfassungsschützer hatte sein Amt niedergelegt, weil er im Zuge der Neuwahl für die CDU selbst in den Bundestag wollte. Ein Schritt, über den viele - auch in seiner eigenen Partei - den Kopf schütteln. Ein CDU-Abgeordneter kritisiert gegenüber ZDF frontal:
Das hat dem Amt geschadet, die AfD in ihrem Opfer-Narrativ gestärkt und jene bestätigt, die dem Verfassungsschutz parteipolitische Motive unterstellen.
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CDU-Abgeordneter
Unglücklich schien auch Haldenwangs Kommunikation. Intern hatte es länger geheißen, dass er aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand gehen wolle - nur um später seine Kandidatur für den Bundestag anzukündigen. Für ihn sicher tragisch: Er verfehlte die Mehrheit in seinem Wahlkreis in Wuppertal, zog nicht in den Bundestag ein.
Die Ankündigung, für die CDU in den Bundestag einziehen zu wollen, hat Ex-Verfassungsschutzchef Haldenwang Kritik eingebracht. War er bei seinen Entscheidungen politisch neutral?17.11.2024 | 4:12 min
BMI: Neue Bundesregierung wird über Amtsleitung entscheiden
Derzeit leiten die Vizepräsidenten Silke Willems und Sinan Selen übergangsweise das Bundesamt. Das dürfte auch noch eine zeitlang so bleiben, wie das Bundesinnenministerium ZDF frontal schreibt: "In Zeiten von Regierungswechseln gibt es eine besondere Zurückhaltung bei wesentlichen Personalentscheidungen. Diese sind der neuen Bundesregierung vorbehalten."
Formal gesehen schlägt der oder die neue Innenministerin die Personalie des Verfassungsschutz-Chefs dem Bundeskabinett vor, danach erfolgt die Ernennung durch den Bundespräsidenten. In Sicherheitskreisen rechnet man nun mit April oder eher Mai.
Für Wanderwitz, den ehemaligen sächsischen CDU-Abgeordneten, drängt die Zeit: "Wenn man bis 2029 kein Verbotsverfahren auf den Weg gebracht hat, kriegen wir es nach der Bundestagswahl nicht mehr durch", fürchtet er. Und wenn das Verbotsverfahren, für das es sehr hohe Hürden gibt, scheitert? "Wenigstens haben wir es dann versucht", sagt Wanderwitz.
Quelle: dpa
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