AfD: Was "gesichert rechtsextremistisch" für die Partei bedeutet

FAQ

"Gesichert rechtsextremistisch":Was bedeutet die Einstufung für die AfD?

von Oliver Klein, Dominik Rzepka, Daniel Heymann
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Der Verfassungsschutz stuft die AfD als gesichert rechtsextremistisch ein. Warum? Was bedeutet das für ein Verbotsverfahren - und welche Konsequenzen gibt es für die Partei?

Ein Nacht- und Wochenendbriefkasten hängt am Eingang zur Bundesgeschäftsstelle der AfD. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat die AfD als gesichert rechtsextremistisch eingestuft.
Der Verfassungsschutz stuft die AfD nun auch bundesweit als „gesichert rechtsextrem“ ein. Während die Partei protestiert, begrüßen andere die Entscheidung als längst überfällig.02.05.2025 | 3:06 min
Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft die AfD nun als "gesichert rechtsextremistische Bestrebung" ein. Grund sei "die Menschenwürde missachtende, extremistische Prägung der Gesamtpartei", teilte das Bundesamt in Köln mit. Zu diesem Schluss komme die Behörde "nach intensiver und umfassender gutachterlicher Prüfung".
Was sind die Gründe für die Einschätzung des Verfassungsschutzes? Welche Reaktionen gibt es auf die neue Einstufung und welche Konsequenzen hat das für die AfD-Bundespartei? ZDFheute mit einem Überblick.
Zimmermann aus Berlin
Was bedeutet die neue Einstufung der AfD faktisch – und was politisch? ZDF-Korrespondentin Diana Zimmermann ordnet die Bewertung des Verfassungsschutzes und ihre möglichen Folgen ein.02.05.2025 | 1:52 min

Wie kommt der Verfassungsschutz zu seiner Einstufung?

Bei der Entscheidung seien unter anderem Äußerungen im Bundestagswahlkampf und vor den drei Landtagswahlen in Ostdeutschland berücksichtigt worden, heißt es. "Das in der Partei vorherrschende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis ist nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar", teilte der Verfassungsschutz mit.

Konkret betrachtet die AfD zum Beispiel deutsche Staatsangehörige mit Migrationsgeschichte aus muslimisch geprägten Ländern nicht als gleichwertige Angehörige des durch die Partei ethnisch definierten deutschen Volkes.

Bundesamt für Verfassungsschutz

Tino Chrupalla und Alice Weidel vor einem AfD-Banner.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft die gesamte AfD als gesichert rechtsextremistisch ein. ZDFheute live analysiert die Konsequenzen für die Partei02.05.2025 | 30:51 min
Etliche Aussagen aus dem AfD-Bundesverband zu einer angeblichen "Umvolkung", fremdenfeindliche Postings oder islamfeindliche Statements flossen nach ZDF-Informationen aus Sicherheitskreisen in die Bewertung mit ein.
So zum Beispiel ein Posting des AfD-Bundesschriftführers Dennis Hohloch: Er hatte im September 2023 in einem Facebook-Beitrag geschrieben: "Bewahrheitet sich hier etwa die nächste 'Verschwörungstheorie'? Gefallen den Herrschenden die Wahlergebnisse nicht, wird das Wahlvolk ausgetauscht. Erst Kommunalwahlen, dann Landtagswahlen und zum Schluss Teilnahme an Bundestagswahlen für Asylbewerber?"
Auch eine Aussage von AfD-Chefin Alice Weidel wurde berücksichtigt. Im Juli 2023 hatte sie dem rechtsextremen "Compact TV" ein Interview gegeben. Zu Unruhen in Frankreich sagte Weidel, vergleichbare Probleme seien angesichts der Migration aus "dem kulturfremden Kontext" auch in Deutschland möglich. "Gewaltbereite Kulturen" hätten beispielsweise "Messerkriminalität" nach Deutschland gebracht, die "in unserer Kultur völlig unbekannt" sei.
ZDF-Rechtsexperte Jan Henrich.
Wichtig sei, dass der Verfassungsschutz die gesamte AfD als gesichert rechtsextrem einstufe, so ZDF-Rechtsexperte Jan Henrich. Er werde sie nun noch intensiver beobachten. 02.05.2025 | 6:02 min

Wie fallen die Reaktionen aus?

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verweist darauf, dass der Verfassungsschutz eigenständig handele und eine neutrale Prüfung vorgenommen habe. Das Ergebnis: "Die AfD vertritt einen ethnischen Volksbegriff, mit dem ganze Bevölkerungsgruppen diskriminiert und Bürgerinnen und Bürger mit Migrationsgeschichte als Deutsche zweiter Klasse behandelt werden", sagt Faeser.
Die Grünen kritisieren in einer ersten Reaktion unter anderem den designierten Unionsfraktionschef Jens Spahn. Der CDU-Politiker hatte sich dafür ausgesprochen, mit der AfD im Bundestag genau so umzugehen wie mit jeder anderen Oppositionspartei.

Die heutige Entscheidung ist auch ein deutlicher Wink in Richtung derjenigen, die zuletzt für eine Normalisierung der Partei plädierten.

Konstantin von Notz und Irene Mihalic, Grüne

Politikwissenschaftler Benjamin Höhne.
Die AfD sei seit Gründung auf Radikalisierungs- und Extremismuskurs, so Politikwissenschaftler Höhne. Die Einstufung mache einen Strich durch ihre Normalisierungsbestrebungen. 02.05.2025 | 14:00 min

Wie reagiert die AfD?

Vize-Bundessprecher Stephan Brandner bezeichnete die Einstufung des Verfassungsschutzes bei X als "völligen Blödsinn". Sie habe mit "Recht und Gesetz überhaupt nichts zu tun und ist eine rein politische im Kampf der Kartellparteien gegen die AfD."
Die Entscheidung "des sogenannten Verfassungsschutzes" sei eine "weitere unfaire Kampfmaßnahme gegen die einzige Oppositionskraft, so Brandner. Die AfD-Spitze kündigt derweil an, die Partei werde sich "juristisch zur Wehr setzen".
In einem Schreiben des Rechtsanwaltes Ralf Höcker an den Verfassungsschutz, das ZDFheute vorliegt, heißt es, die AfD sei "keine gesichert rechtsextremistische Bestrebung". Höcker fordert den Verfassungsschutz unter anderem auf, bis zum 5. Mai Korrekturmeldungen zu veröffentlichen.

Was bedeutet das für ein AfD-Verbot?

Unmittelbare Folgen für ein mögliches Verbotsverfahren gegen die AfD hat die neue Einstufung nicht. Aber: Die Diskussion um ein AfD-Verbotsverfahren werde nun wieder an Fahrt aufnehmen, erklärt ZDF-Hauptstadtkorrespondentin Nicole Diekmann. Beantragen könnten es die Bundesregierung, der Bundesrat oder der Bundestag. Das Verbot selbst beschließen kann nur das Bundesverfassungsgericht.
Politbarometer AfD zweitstärkste Kraft
Trotz Verfassungsschutz-Einstufung: Laut dem aktuellen ZDF-Politbarometer liegt die AfD bundesweit weiter auf Platz zwei – direkt hinter der Union.02.05.2025 | 1:31 min
Sollte ein neues Verbotsverfahren auf den Weg gebracht werden, dürfte die umfangreiche Materialsammlung des Verfassungsschutzes eine wichtige Rolle spielen. "In der nun gerade noch laufenden Legislaturperiode gab es einen fraktionsübergreifenden Vorstoß für einen solchen Bundestagsbeschluss", so Diekmann.
"Viele Parlamentarier machten aber klar, dass sie dem Antrag ihre Stimme nicht geben würden. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. Da sich keine Mehrheit abzeichnete, kam es gar nicht erst zur Abstimmung."

Womöglich aber werden die Karten nun neu gemischt.

Nicole Diekmann, ZDF-Hauptstadtkorrespondentin

Benjamin Höhne
Die AfD fordert im neuen Parlament einen Vizebundestagspräsidenten aus ihren Reihen. Wird niemand gewählt, wäre das Wasser auf die AfD-Mühlen, so Politikwissenschaftler Höhne.25.03.2025 | 15:52 min
Die Grünen bringen das Verbot nun ins Gespräch: Die Hochstufung sei auch "ein wichtiger Baustein mit Blick auf die Frage, wie es um die Erfolgsaussichten eines möglichen AfD-Verbotsverfahren bestellt ist." SPD-Vize Serpil Midyatli sagt, das Verbot müsse kommen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) äußert sich deutlich zurückhaltender:

Ich bin gegen einen Schnellschuss.

Olaf Scholz, SPD

sgs leutheusser Wiesel
Die frühere FDP-Justizministerin Leutheusser-Scharrenberger hält ein AfD-Parteiverbot nicht für den richtigen Weg. Man müsse sich mit der Partei inhaltlich auseinandersetzen. 31.01.2025 | 3:48 min

So sind die Regelungen für ein Parteiverbot




Verändert sich nun der Umgang mit der AfD?

Die Hochstufung der AfD wird die Debatte vor allem in der CDU noch einmal neu anfachen, wie sie mit der Partei umgehen will, sagt Nicole Diekmann. Gerade erst habe der designierte Unionsfraktionschef-Chef Jens Spahn in den eigenen Reihen eine heftige Kontroverse ausgelöst.
AfD und CDu im Bundestag Brandmauer bröckelt
Die AfD stellt die zweitgrößte Fraktion im neuen Bundestag. Der Umgang der anderen Fraktionen mit der in Teilen rechtsextremen Partei ist umstritten - vor allem in der Union.16.04.2025 | 3:05 min
"Spahn hatte vorgeschlagen, die AfD in organisatorischen Fragen des Bundestages wie die anderen Oppositionsparteien zu behandeln", so Diekmann. "Das könnte etwa bedeuten, der AfD auch Sitze im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) zuzugestehen, was bisher nicht der Fall ist: Das PKGr kontrolliert zum einen die Geheimdienste - die die AfD wiederum aufgrund ihrer Einstufung beobachten."
Spahn will sich auf ZDFheute-Anfrage heute nicht äußern, sondern erst in den kommenden Tagen. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagt:

Unsere Position zur AfD war, ist und bleibt gleich. Es wird keine Zusammenarbeit mit dieser Partei geben.

Carsten Linnemann, CDU

Jens Spahn im Paul-Löbe-Haus.
Die SPD warnt vor einen normalisierenden Umgang mit der AfD und kritisiert Unionsfraktionsvize Spahn. Dieser hatte sich dafür ausgesprochen, die AfD wie jede andere Oppositionspartei zu behandeln.16.04.2025 | 1:40 min

Was bedeutet die Einstufung aus juristischer Sicht?

Die Hochstufung der AfD hat auch rechtliche Konsequenzen. Der Verfassungsschutz hat im Kern zwei Aufgaben: Informationen über verfassungsfeindliche Bestrebungen zusammentragen und die Öffentlichkeit darüber aufklären -dadurch soll er als "Frühwarnsystem der Demokratie" dienen.
Innerhalb dieses Warnsystems ist mit der Einordnung als gesichert rechtsextremistische Bestrebung nun die höchste Alarmstufe erreicht. Das erleichtert dem Verfassungsschutz den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel, um die AfD zu beobachten - unter anderem kann sie verdeckte Mitarbeiter und sogenannte Vertrauensleute (V-Leute) einsetzen. Auch die Finanzierung der Partei darf der Verfassungsschutz genauer unter die Lupe nehmen. Und schließlich kann die Behörde die Bevölkerung umfassender über die Bestrebungen und Ziele der AfD informieren.

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Das Verfassungsschutzgutachten zur AfD ist weiter in Arbeit - dabei sollte längst entschieden sein. Warum dauert das so lange? Und für wen gilt die Zwei-Jahres-Frist?
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Wie unabhängig ist das Bundesamt für Verfassungsschutz?

AfD-Politiker behaupten stets, dass deutsche Verfassungsschutzbehörden ein Instrument der jeweiligen Regierung seien, um die AfD zu unterdrücken - so auch heute. Wolfgang Schroeder, Politikwissenschaftler von der Universität Kassel, sagt, das Bundesamt sei "eine unabhängige Behörde", unterstehe aber der Fachaufsicht des Ministeriums.
"Insofern gibt es hier ein Wechselverhältnis und das kann man daran feststellen, dass es keine Freigabe für dieses Gutachten gegeben hat, obwohl es schon seit längerer Zeit im Umlauf ist und wir hier insofern ein Problem haben", sagt er dem TV--Sender Phoenix. Das habe zu Irritationen geführt, weil es eine wichtige Grundlage sei für die Urteilsfähigkeit der Abgeordneten in Hinblick auf das Parteienverbotsverfahren.

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Quelle: dpa

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Quelle: mit Material von AFP, dpa
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