Sabotage in Putins Auftrag? Das System der "Wegwerf-Agenten"
Exklusiv
Das System der "Wegwerf-Agenten":Sabotage in Putins Auftrag?
von Nicolas Wildschutz
|
Bomben in Paketen, Bauschaum im Auspuff, Graffiti an den Wänden - hinter solchen Sabotage-Aktionen wird Russland vermutet. Gibt es dafür auch handfeste Beweise?
Sabotage und Desinformation sorgen für Unruhe. Viele vermuten Russland dahinter. Lässt sich das beweisen? Eine Spur führt von Berlin nach Estland - tief in das System der "Wegwerf-Agenten".07.05.2025 | 28:32 min
Das Phänomen der "Wegwerf-Agenten" beschäftigt die europäischen Nachrichtendienste. In den Sozialen Medien werden junge Menschen rekrutiert. Für scheinbar harmlose Aufträge wie das Sprühen eines Graffitis bekommen sie ein paar Hundert Euro. Angeworben werden sie von Mittelsleuten, hinter denen weitere Strippenzieher stecken. So wird die Spur verschleiert und es lässt sich kaum beweisen, von wem die Befehle kommen.
Monatelang hat sich ein Rechercheverbund aus ZDF-Reportern und Journalisten der Wochenzeitung "Die Zeit" auf Spurensuche begeben. Führt Russland solche verdeckten Aktionen in Europa durch und lässt sich das beweisen?
Oft werden nicht die wahren Auftraggeber entdeckt
Denn dass Russland dahintersteckt, behaupten viele. In den meisten Fällen werden aber, wenn überhaupt, nur die sogenannten "Wegwerf-Agenten" geschnappt - und die kennen in der Regel nur die Leute, die sie angeheuert haben, aber nicht die wahren Auftraggeber. Ein Dilemma, auch für den deutschen Verfassungsschutz:
Auch nach sorgfältiger Prüfung können Verantwortliche nicht immer zweifelsfrei identifiziert werden.
„
Bundesverfassungsschutz
Sabotage, Spionage und Zersetzung: Die Geheimdienste des Kreml kämpfen aggressiv gegen den Westen – wie seit Ende des Kalten Krieges nicht mehr. Dabei setzen sie auf hybride Kriegsführung.17.12.2024 | 9:06 min
Ex-BND-Mitarbeiter spricht von Einschüchterung
Für den ehemaligen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes, Gerhard Conrad, steckt dahinter ein System: Häufig sei es so, dass alle Indizien auf eine gewisse Handschrift hindeuten.
Dann setzt sich der russische Außenminister, Herr Lawrow, hin und sagt: Dann beweist das mal. Gerichtsfest.
„
Gerhard Conrad, ehemaliger BND-Mitarbeiter
"Und wie häufig können Sie das gerichtsfest nicht beweisen? Und dann sagt er: 'Haltet den Mund'", so Conrad. Die Absicht dahinter sei Verunsicherung. Sabotage sei eine Botschaft: "'Wir wissen, wo ihr verletzlich seid, und ihr könnt auch nichts dagegen machen.' Das ist Einschüchterung."
Hat Russland etwas mit den Anschlägen der vergangenen Monate zu tun? Es wäre naiv, solchen Hinweisen nicht nachzugehen, so Gerhard Conrad, ehemaliger BND-Mitarbeiter. 06.04.2025 | 5:26 min
Spur führt nach Estland
Die aufwendigen Recherchen führten die ZDF-Journalistin Greta Buschhaus und Kai Biermann von der "Zeit" quer durch Europa. Am Ende stießen sie auf eine vielversprechende Spur.
In Estland gab es im Dezember 2024 einen Gerichtsprozess. Angeklagt waren mehrere Männer. Sie hatten ebenfalls Sabotage-Aktionen durchgeführt. Doch in diesem Fall gelang es den Ermittlungsbehörden, Beweise zu finden.
Eine Schattenflotte, die Russland zugerechnet wird, soll in der Ostsee für diverse Sabotageakte verantwortlich sein. Die Anrainerstaaten beraten auf einem Krisentreffen.29.04.2025 | 1:51 min
Die estnische Staatsanwaltschaft hatte früh Hinweise auf einen in Estland bekannten prorussischen Neo-Nazi. Er war ein Mittelsmann, hatte andere Agenten angeworben, Sabotage-Aktionen durchzuführen. Er selbst war von zwei russischen Männern beauftragt worden, die bereits in der Vergangenheit mit russischen Nachrichtendiensten zusammengearbeitet hatten.
Verbindungen zu russischen Geheimdiensten
Der estnische Geheimdienst KAPO bestätigt in einem exklusiven Interview:
Wir kennen beide Männer mit Namen. Den einen, weil er schon einmal mit einem russischen Nachrichtendienst, dem FSB, zu tun hatte.
„
Estnischer Geheimdienst KAPO
Diesmal habe er mit dem anderen russischen Geheimdienst, dem GRU, zusammengearbeitet, heißt es vom estnischen Geheimdienst. Und auch der andere Mann stehe in enger Verbindung zu russischen Diensten.
Russlands hybride Kriegsführung trifft auch Deutschland. Geheimdienste fordern mehr öffentliches Bewusstsein, denn Deutschland mache es Russland viel zu leicht.14.10.2024 | 1:27 min
Was sagt Russland dazu? Auf eine schriftliche Anfrage antwortet die russische Botschaft in Berlin: "Da die Mitarbeiter der Botschaft der Russischen Föderation in Berlin über keine gründlichen beruflichen Kompetenzen in Bereichen Paranoia, Verfolgungswahn und Verschwörungstheorien verfügen, können wir Ihnen bei der Beantwortung der von Ihnen vorgebrachten 22 'Vorwürfe' kaum behilflich sein."
Das Katz-und-Maus-Spiel geht also weiter. Dabei sieht Gerhard Conrad, der ehemalige Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes, Russland klar in der Verantwortung. Er sagt: "Die russischen Dienste haben den Auftrag (…), russische Interessen, und zwar in dem Fall gegenüber der Ukraine und deren Unterstützer, entsprechend massiv zur Geltung zu bringen." Und er warnt:
Deutschland befindet sich nicht im Krieg mit Russland, aber Russland befindet sich im Krieg mit Deutschland. So einfach ist das. Zum Krieg brauchen Sie immer nur einen.
„
Gerhard Conrad, ehemaliger BND-Mitarbeiter
Die "Wegwerf-Agenten" sind weiter in ganz Europa aktiv. Viele Fälle wirken noch harmlos, doch sie seien eine Vorstufe zur Eskalation, sagt Conrad. Ein verdeckter Krieg, der längst begonnen habe.