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Familiendrama "White House Farm":Fünf Tote, ein Alleinerbe, ein Verdacht
von Bettina Blaß
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Fünf Tote in einem Landhaus in England: Die Polizei glaubt zunächst an einen erweiterten Suizid, bis der Adoptivsohn der Familie verdächtigt wird. Bis heute bleiben Fragen offen.
Die kleine Kirche im englischen Tolleshunt D’Arcy war bis auf den letzten Platz gefüllt. Sogar draußen drängten sich noch Menschen. Denn an diesem Tag im Jahr 1985 wurden drei Mitglieder der Familie Bamber beerdigt: June, Nevill und ihre Adoptivtochter Sheila. Alle drei und auch die sechsjährigen Zwillinge von Sheila wurden erschossen.
Der trauernde Adoptivsohn
Nur einer aus der Familie, der Adoptivsohn Jeremy Bamber, blieb am Leben. Er war laut eigener Aussage nicht im Haus seiner Adoptiveltern, als der Mord geschah. Und er war es, der die Polizei verständigte, nachdem sein Vater ihm am Telefon gesagt habe, Sheila laufe mit einer Waffe Amok.
Nevill und June Bamber, die Adoptiveltern von Jeremy und Sheila.
Quelle: ZDF
Bamber, so sagte einer der Polizisten, habe über Sheila sinngemäß gesagt, sie sei verrückt, nehme Drogen. Es hieß, das Ex-Model leide seit ihrer Scheidung unter Depressionen, habe einen schweren Nervenzusammenbruch gehabt.
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Ein Auftritt, der Fragen aufwirft
Die Polizei ging später von einem erweiterten Suizid aus, begangen von Sheila. Doch als Jeremy bei der Beerdigung die Kirche im Maßanzug betrat, frisch frisiert und geschminkt gegen die Blässe, kamen zumindest bei den Anwesenden erste Zweifel auf.
Er weinte und war blass. Ganz ehrlich, ich hab' ihm das nicht abgekauft.
Stephen Cole, Journalist
Am etwa 16 Kilometer entfernten Krematorium in Colchester stieg Jeremy aus dem Wagen aus, plauderte, lächelte, lachte sogar fast. Unter einigen Verwandten hieß es: "Jeremy hat es getan, oder?“. Einige hatten damals keine Zweifel mehr.
Ein blutiges Beweisstück
David Boutflour, ein Neffe der Bamber-Eltern, durfte als Teil der Familie drei Tage nach der Tat das Haus betreten. Er schaute in den dunklen Waffenschrank - und fand einen Schalldämpfer. Den hatte die Polizei am Tattag dort nicht gefunden.
Ich nahm ihn heraus und er war völlig klebrig. Furchtbar. Entsetzlich.
David Boutflour, Verwandter
Am Ende des Schalldämpfers waren ein Blutfleck und ein Haar. Der Fund gab Rätsel auf. Boutflour fragte sich, warum der Schalldämpfer nicht an der Waffe war. Es gab keinen Grund, ihn abzunehmen. "Wenn Sheila sich mit der Waffe erschossen hat, hätte sie danach wohl kaum den Schalldämpfer abgenommen und im Schrank deponiert, um sich dann wieder da hinzulegen, wo man ihre Leiche gefunden hatte“, sagte er. Doch die Polizei blieb bei ihrer Annahme, dass Sheila sich und die Familie getötet habe.
Jeremy Bamber verkaufte Wertgegenstände
Boutflour wusste auch von Antiquitäten, Silber, Gemälden und Figuren, die Jeremy nach der Beerdigung schätzen und versteigern ließ. Jeremy war Alleinerbe, er gab sein Geld aus, feierte Partys.
Aber wenn ich meine Freunde zum Essen eingeladen oder etwas zu viel getrunken habe, dann nur, weil ich geliebt werden wollte.
Jeremy Bamber, Alleinerbe
Lebenslange Haft und bleibende Zweifel
Die Ermittler konnten Jeremy Bamber lange nichts nachweisen. Doch dann kam nochmals Bewegung in den Fall. Julie Mugford, sie war die Freundin von Jeremy zum Zeitpunkt der Morde, meldete sich bei der Polizei. Sie habe gehört, wie Jeremy davon sprach, seine Eltern zu töten, weil er an das Erbe wollte.
Die neue Aussage warf Fragen auf, der Fall wurde noch einmal aufgerollt. Die Ermittler blickten erneut auf jedes Detail, auf jedes Beweisstück - auch auf den Schalldämpfer, den Boutflour gefunden hatte. 1986 fiel das Gericht das Urteil gegen Jeremy Bamber: fünf Mal lebenslänglich. Doch Bamber bestand darauf, es nicht gewesen zu sein. "Ich bin ganz sicher kein Mörder. Und das kann ich auch beweisen“, sagte er. In den folgenden Jahren stand er wieder und wieder vor Gericht. Weil Zweifel bleiben. Weil Fragen bleiben. Weil sich der Fall nie ganz lösen ließ.
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