White House Farm: Morde der Familie Bamber bis heute ungelöst

Familiendrama "White House Farm":Fünf Tote, ein Alleinerbe, ein Verdacht

von Bettina Blaß
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Fünf Tote in einem Landhaus in England: Die Polizei glaubt zunächst an einen erweiterten Suizid, bis der Adoptivsohn der Familie verdächtigt wird. Bis heute bleiben Fragen offen.

Schwarz-weiß-Foto einer jungen Frau. Sie hat lange braune, gewellte Haare und blickt mit einem leichten Lächeln in die Kamera. Auf ihrem Schoß sitzen zwei Jungen, ca. 5 Jahre alt. Die beiden sind Zwillinge.
Essex 1985: In der Nacht vom 6. auf den 7. August finden drei Generationen einer Familie den Tod: das Ehepaar Nevill und June Bamber, ihre Adoptivtochter Sheila und deren kleine Zwillingssöhne.16.04.2025 | 43:26 min
Die kleine Kirche im englischen Tolleshunt D’Arcy war bis auf den letzten Platz gefüllt. Sogar draußen drängten sich noch Menschen. Denn an diesem Tag im Jahr 1985 wurden drei Mitglieder der Familie Bamber beerdigt: June, Nevill und ihre Adoptivtochter Sheila. Alle drei und auch die sechsjährigen Zwillinge von Sheila wurden erschossen.

Der trauernde Adoptivsohn

Nur einer aus der Familie, der Adoptivsohn Jeremy Bamber, blieb am Leben. Er war laut eigener Aussage nicht im Haus seiner Adoptiveltern, als der Mord geschah. Und er war es, der die Polizei verständigte, nachdem sein Vater ihm am Telefon gesagt habe, Sheila laufe mit einer Waffe Amok.
Aus dem Familiendrama "White House Farm": Nevill und June Bamber stehen vor einem mit Kletterrosen bewachsenen Haus und schauen lächelnd in die Kamera. Neben ihnen sitzt ein kleiner Hund.
Nevill und June Bamber, die Adoptiveltern von Jeremy und Sheila.
Quelle: ZDF

Bamber, so sagte einer der Polizisten, habe über Sheila sinngemäß gesagt, sie sei verrückt, nehme Drogen. Es hieß, das Ex-Model leide seit ihrer Scheidung unter Depressionen, habe einen schweren Nervenzusammenbruch gehabt.

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Ein Auftritt, der Fragen aufwirft

Die Polizei ging später von einem erweiterten Suizid aus, begangen von Sheila. Doch als Jeremy bei der Beerdigung die Kirche im Maßanzug betrat, frisch frisiert und geschminkt gegen die Blässe, kamen zumindest bei den Anwesenden erste Zweifel auf.

Er weinte und war blass. Ganz ehrlich, ich hab' ihm das nicht abgekauft.

Stephen Cole, Journalist

Am etwa 16 Kilometer entfernten Krematorium in Colchester stieg Jeremy aus dem Wagen aus, plauderte, lächelte, lachte sogar fast. Unter einigen Verwandten hieß es: "Jeremy hat es getan, oder?“. Einige hatten damals keine Zweifel mehr.
Colorierte Gerichtszeichnung. Im Vordergrund sitzt mittig und frontal, abgebildet bis zur Mitte des Oberkörpers, ein Mann mit kurzen schwarzen Haaren dunkelblauem Anzug und schwarz-weiß gestreifter Krawatte auf einem Stuhl mit roter Rückenlehn
Der Prozess geht in die finale Phase. Jeremy Bambers Verhältnis zu seinen Adoptiveltern gerät ins Blickfeld. Auch die Aussage seiner Ex-Freundin ist von entscheidender Bedeutung.16.04.2025 | 43:30 min

Ein blutiges Beweisstück

David Boutflour, ein Neffe der Bamber-Eltern, durfte als Teil der Familie drei Tage nach der Tat das Haus betreten. Er schaute in den dunklen Waffenschrank - und fand einen Schalldämpfer. Den hatte die Polizei am Tattag dort nicht gefunden.

Ich nahm ihn heraus und er war völlig klebrig. Furchtbar. Entsetzlich.

David Boutflour, Verwandter

Am Ende des Schalldämpfers waren ein Blutfleck und ein Haar. Der Fund gab Rätsel auf. Boutflour fragte sich, warum der Schalldämpfer nicht an der Waffe war. Es gab keinen Grund, ihn abzunehmen. "Wenn Sheila sich mit der Waffe erschossen hat, hätte sie danach wohl kaum den Schalldämpfer abgenommen und im Schrank deponiert, um sich dann wieder da hinzulegen, wo man ihre Leiche gefunden hatte“, sagte er. Doch die Polizei blieb bei ihrer Annahme, dass Sheila sich und die Familie getötet habe.

Jeremy Bamber verkaufte Wertgegenstände

Boutflour wusste auch von Antiquitäten, Silber, Gemälden und Figuren, die Jeremy nach der Beerdigung schätzen und versteigern ließ. Jeremy war Alleinerbe, er gab sein Geld aus, feierte Partys.

Aber wenn ich meine Freunde zum Essen eingeladen oder etwas zu viel getrunken habe, dann nur, weil ich geliebt werden wollte.

Jeremy Bamber, Alleinerbe

Schwarzweißer Ausschnitt aus einer englischsprachigen Zeitung. Zu sehen ist eine Schlagzeile in fetten schwarzen Versalien: Model Murders 4 of her Family. Rechts daneben ein schwarzweißes Bild von einer lächelnden jungen Frau mit schulterlangem Haar, schulterfreiem Top und Kette um den Hals.
Der Mammutprozess gegen Jeremy Bamber spaltet die Öffentlichkeit. Alles weist darauf hin, dass seine Schwester die Morde begangen hat, doch die Aussage seiner Ex-Freundin belastet ihn schwer.16.04.2025 | 43:24 min

Lebenslange Haft und bleibende Zweifel

Die Ermittler konnten Jeremy Bamber lange nichts nachweisen. Doch dann kam nochmals Bewegung in den Fall. Julie Mugford, sie war die Freundin von Jeremy zum Zeitpunkt der Morde, meldete sich bei der Polizei. Sie habe gehört, wie Jeremy davon sprach, seine Eltern zu töten, weil er an das Erbe wollte.
Die neue Aussage warf Fragen auf, der Fall wurde noch einmal aufgerollt. Die Ermittler blickten erneut auf jedes Detail, auf jedes Beweisstück - auch auf den Schalldämpfer, den Boutflour gefunden hatte. 1986 fiel das Gericht das Urteil gegen Jeremy Bamber: fünf Mal lebenslänglich. Doch Bamber bestand darauf, es nicht gewesen zu sein. "Ich bin ganz sicher kein Mörder. Und das kann ich auch beweisen“, sagte er. In den folgenden Jahren stand er wieder und wieder vor Gericht. Weil Zweifel bleiben. Weil Fragen bleiben. Weil sich der Fall nie ganz lösen ließ.
Das Bild zeigt einen jungen Mann mit Kurzhaarschnitt. Er trägt einen blauen Anzug, mit rotem Einstecktuch. Dazu ein weißes Hemd mit roter Krawatte. Am rechten Bildrand steht ein zweiter dunkelhaariger Mann, der mit einem blau-schwarzen Strickpullover bekleidet ist. Er trägt unter dem Pulli ein weißes Hemd mit schwarzer Krawatte. Links von den beiden Männern steht ein weißes Fahrzeug, dessen Vorder- und Hintertür auf der Fahrerseite geöffnet sind
Jeremy Bamber ist wegen fünffachen Mordes verurteilt und sitzt eine lebenslange Haftstrafe in England ab. Doch er beteuert seine Unschuld und versucht alles, um seinen Namen reinzuwaschen.16.04.2025 | 43:55 min

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