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FAQ
Ursachensuche nach Blackout:Was das spanische Stromnetz so anfällig macht
von Katja Belousova und Oliver Klein
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Die Ursache für den Stromausfall in Spanien und Portugal ist noch unklar. Doch das Stromnetz auf der Iberischen Halbinsel hat Schwächen - und die machen es besonders anfällig.
Am Montagmittag gingen auf der Iberischen Halbinsel die Lichter aus: Spanien und Portugal erlebten einen massiven Stromausfall. Ampeln und Züge fielen aus, Flugverkehr und Handynetz waren beeinträchtigt.
Auch wenn ein Großteil der Haushalte wieder mit Strom versorgt wird, dauert die Suche nach dem Grund für den Blackout an. Welche Besonderheiten im spanisch-portugiesischen Stromnetz könnten dazu beigetragen haben? Welche Rolle spielen Erneuerbare Energien dabei? Und wie könnten sich die Länder künftig besser schützen? Hier die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Was ist bisher über die Ursache bekannt?
Das spanische Stromnetz habe in nur fünf Sekunden 15 Gigawatt verloren, was 60 Prozent des nationalen Bedarfs entspricht, erklärte Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez. Noch ist unklar, was genau der Grund für den Abfall ist. Am Montag machten in sozialen Medien Gerüchte die Runde, dass ein Hackerangriff verantwortlich gewesen sein könnte. Am Dienstag schloss der spanische Stromnetzbetreiber REE einen Cyberangriff nach vorläufigen Erkenntnissen aus. Die Justiz ermittelt dennoch in alle Richtungen.
Welchen Einfluss hat die Lage der Iberischen Halbinsel?
Ein wichtiger Faktor für den Blackout: Die Lage der Iberischen Halbinsel am südwestlichen Rand Europas. Spanien und Portugal bilden faktisch ein gemeinsames Netzgebiet, das jedoch weitgehend isoliert ist vom restlichen Europa - es gibt nur vergleichsweise wenige Stromleitungen zu Nachbarländern.
Ein Schwachpunkt - bedingt durch die Insellage, der durch die geografische Barriere der Pyrenäen noch verstärkt wird - erklärt Miguel de Simón Martín, Professor am Institut für Elektroingenieurwesen an der spanischen Universität León. Deshalb können Spanien und Portugal bei Störungen kaum auf Hilfe von Nachbarnetzen zurückgreifen, ein Vorfall kann sich dadurch großflächiger auswirken.
Ähnlich sieht es auch Christian Rehtanz, Leiter des Instituts für Energiesysteme, Energieeffizienz und Energiewirtschaft der TU Dortmund: "Hier hat die Iberische Halbinsel natürlich eine besondere Lage gegenüber zum Beispiel Deutschland, welches viele Nachbarländer hat, die aushelfen könnten." Im Gegensatz zu Spanien und Portugal seien die Länder in Zentraleuropa stärker miteinander vernetzt.
Das europäische Verbundsystem mit den gegenseitigen Hilfemöglichkeiten wirkt hierbei immens stabilisierend und sichert die Versorgung großräumig.
Prof. Dr. Christian Rehtanz, TU Dortmund
Das zeigte sich offenbar auch am Montag: Während innerhalb Spaniens und Portugals das Netz in weiten Teilen zusammenbrach, meldete der französische Netzbetreiber RTE nur kurzzeitige Schwankungen im Süden Frankreichs und konnte anschließend Strom nach Spanien exportieren, als sich das Netz dort stabilisierte.
Welchen Einfluss haben Erneuerbare Energien?
Doch es lag offenbar nicht nur an der begrenzten Anbindung des spanischen Stromnetzes nach außen - die Kombination mit einem weiteren Faktor könnte die Schwere des Zwischenfalls begünstigt haben:
Spanien produziert seinen Strom mittlerweile zu rund 60 Prozent mit Erneuerbaren Energien. Wind- und Sonnenenergie haben daran einen Anteil von rund drei Vierteln.
Das kann Probleme bergen: Herkömmliche Kraftwerke wie Wasser- oder Wärmekraftwerke sind mit ihren großen, rotierenden Generatoren in der Lage, die Netzfrequenz zu stabilisieren und kurzfristige Frequenzschwankungen abzufedern. Wind- und Photovoltaikanlagen können das nicht, weil sie über Wechselrichter an das Netz angeschlossen sind.
Heißt: Je höher der Anteil von Solar- und Windenergie, desto empfindlicher ist das Netz gegenüber Schwankungen. Ein Stromnetz mit einem hohen Anteil an wechselrichtergestützter Erneuerbarer Erzeugung habe weniger Spielraum, um auf Störungen zu reagieren, erklärt Miguel de Simón Martín.
Am Tag des Stromausfalls sollten um die Mittagszeit laut Prognose fast drei Viertel des Strombedarfs durch Sonnenenergie gedeckt werden, so der Experte - das habe das Netz besonders anfällig für Spannungsschwankungen gemacht. Der am Mittag registrierte Spannungsabfall könnte dazu geführt haben, "dass sich Solar- und Windanlagen vom Netz trennten, was den Zusammenbruch des Systems beschleunigt haben dürfte."
In einem solchen System sei auch der Wiederaufbau des Netzes schwieriger, gibt Energie-Experte Christoph Maurer auf Anfrage von ZDFheute zu bedenken.
Er hat aber ja dennoch zügig funktioniert.
Dr. Christoph Maurer
Wie kann sich die Iberische Halbinsel künftig besser schützen?
Wichtig sei es, die Flexibilität und Widerstandsfähigkeit des zu Netzes erhöhen, fordert Miguel de Simón Martín. So plädieren Fachleute vor allem für eine bessere Stromvernetzung mit den europäischen Nachbarn.
Laut dem spanischen Netzbetreiber Red Eléctrica lag die internationale Stromverbindungskapazität Spaniens im Jahr 2024 bei etwa drei Gigawatt, was gerade mal zwei Prozent des installierten Erzeugungspotenzials entspricht. Dies liegt deutlich unter dem von der EU gesetzten Ziel von mindestens zehn Prozent, das ursprünglich bis 2020 erreicht werden sollte. 15 Prozent sollen es bis 2030 sein.
Energie-Experte: Überwachung hervorragend
Vor allem die Austausch-Kapazität zwischen Spanien und Frankreich soll erhöht werden. Neue Projekte, wie eine Untersee-Stromverbindung durch den Golf von Biskaya, sind zwar in Planung, deren Fertigstellung wurden aber mehrfach verschoben.
Als Grund für die Verzögerungen sieht Energie-Experte Wolfgang Neldner vor allem "die europaweit leider üblichen Planungs und Bauhemmnisse". Generell seien die Netze von Spanien und Portugal aber sehr gut ausgebaut, so Neldner. Es existiere eine hervorragende Überwachung und Zentralsteuerung, gerade auch bei den Erneuerbaren Energien.
Quelle: dpa
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